Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Was kann gegen Diskriminierung getan werden?

Was ist Antidiskriminierungsarbeit?

Diskriminierungen sind für Menschen, die negativ von ihnen betroffen sind, persönliche Erfahrungen, die mit starken Emotionen verknüpft sein können. Betroffene erleben – zum Teil alltäglich – Zugangsbarrieren, das Übersehenwerden ihrer Lebensrealität, Ausgrenzungen, Stigmatisierung, Beleidigungen und Verletzungen, die das Gefühl erzeugen, als Mensch weniger wert zu sein als andere und als Individuum nicht wahrgenommen zu werden. Sie hören häufig, dass sie das „Problem“ seien und haben diese Sichtweise mitunter auch verinnerlicht.

Der Begriff der Diskriminierung stellt sich diesem Eindruck entgegen und markiert das diskriminierende Verhalten als unzulässige Ungerechtigkeit, gegen die sich Betroffene wehren sollten, da ihnen eine gleichwertige Behandlung zusteht. Nicht die Diskriminierten sind das Problem, sondern Diskriminierung.

Antidiskriminierungsarbeit fokussiert daher drei zentrale Punkte:

  • die Stärkung und Unterstützung von Menschen, die von Diskriminierung  negativ betroffen sind, bei der Durchsetzung ihres Rechts auf  Gleichbehandlung (Schutz und Empowerment)
  • die allgemeine Sensibilisierung aller Menschen für Diskriminierungen (Prävention)
  • das Ergreifen wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender Maßnahmen gegen Diskriminierung (Sanktionen)

Ziel ist die Etablierung einer Antidiskriminierungskultur, die einen konstruktiven Umgang mit Diskriminierungen ermöglicht und die gleichberechtigte Partizipation aller Menschen sicherstellen möchte. Es wird der Frage nachgegangen, welche Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, damit alle Menschen gleichberechtigt miteinander leben können und dieselben Chancen haben. Hierbei werden die Perspektiven derer, die negativ von Diskriminierung betroffen sind, unbedingt einbezogen. In der Sichtweise von Antidiskriminierungsarbeit ist es nicht mehr Aufgabe „der Anderen“, sich in eine bestehendes starres Normensystem zu integrieren, sondern Aufgabe aller, gemeinsam ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Menschen wohl fühlen können und unterschiedliche Perspektiven wertgeschätzt und angemessen berücksichtigt werden.

Wer diskriminiert?

Diskriminierende Einstellungen und Strukturen sind keine Randphänomene, sondern in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Sie haben eine lange Tradition und spiegeln sich in Glaubenssystemen, Vorurteilen, Vorstellungen von Normalität und unserer Sprache wieder. Es gibt keinen Menschen, der ihnen nicht im Laufe seines Lebens begegnet wäre. Aber es gibt Menschen, die ihr Leben lang nie selbst negativ von Diskriminierungen betroffen sind und diskriminierendes Verhalten unhinterfragt reproduzieren, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Entscheidend bei diskriminierendem Verhalten ist jedoch das Ergebnis, nicht das Motiv. Menschen können daher auch diskriminieren, wenn sie sich dessen gar nicht bewusst sind oder es gar nicht beabsichtigen. Jeder Mensch kann diskriminieren, auch die, die Diskriminierung selbst nicht gut finden.

Was kann gegen Diskriminierung getan werden?

Konstruktive Kritikfähigkeit entwickeln

Da Diskriminierungen Menschen, die nicht negativ von ihnen betroffen sind, oft gar nicht auffallen, ist es wichtig, den Menschen zuzuhören, die negativ von Diskriminierung betroffen sind, und deren Kritik ernst zu nehmen. Dies kann schwerfallen, da das Wort „Diskriminierung“ bei vielen Menschen Unsicherheit auslöst oder gar als Bedrohung empfunden wird. Warum ist das so?

In unserer Gesellschaft und den medialen Repräsentationen dominiert das Bild, nur unsympathische, hasserfüllte Menschen, die andere demütigen wollen, diskriminieren. Zum Beispiel: „Rassistisch sind nur die Rechtsextremen, nicht die gesellschaftliche Mehrheit.“ Da dieses Bild der Diskriminierenden dem Selbstbild der meisten Menschen diametral entgegensteht, antworten viele, sobald ihr Verhalten als diskriminierend benannt wird, mit Abwehrmechanismen, weil sie die Benennung als Vorwurf und Angriff empfinden. Sie antworten dann mit Sätzen wie:

  • „Das war doch nicht böse gemeint. Du bist zu empfindlich!“
  • „Du hast mich falsch verstanden. Ich bin doch kein Sexist/Rassist etc.!“

Tatsächlich leben wir aber alle in einer Gesellschaft, die stark mit z.B. rassistischen Machtverhältnissen verknüpft ist (z.B. die deutsche Kolonialgeschichte oder der Nationalsozialismus). Rassistische Vorstellungen sind weiterhin verbreitet, auch wenn sie inzwischen subtiler auftreten.  Abwehrmechanismen verhindern, Diskriminierungen zu erkennen, das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren und zukünftig so anzupassen, dass es andere Menschen nicht mehr verletzt.

Stattdessen wird die Schuld den Betroffenen zugeschoben – sie würden sich nur verletzt fühlen, weil sie etwas falsch verstanden hätten. Auf diese Weise werden sie erneut zur Ursache ihres Problems erklärt, verletzt und ein konstruktiver Dialog verhindert. Erleben Betroffene dies immer wieder, kann es sein, dass sie die Hoffnung aufgeben, sich dagegen wehren zu können und sich selbst als Problem wahrnehmen. Sie ziehen sich dann zurück und meiden Orte, an denen sie Diskriminierung erfahren. Auf diese Weise kann eine bereits bestehende Unterrepräsentation von Personengruppen – z.B. an einer Universität – weiter aufrechterhalten werden. Dies verstärkt wiederum die gesellschaftliche Exklusion und fehlende Möglichkeit zur Teilhabe.

Sich selbst bewusst zu werden, dass die eigenen (Sprach-)Handlungen diskriminierend sein können und sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass nur „die unsympathischen Anderen“ diskriminieren, ermöglicht einen konstruktiveren Umgang. Durch eine respektvolle Annahme von Kritik und eine Entschuldigung für die verursachte Verletzung wird solidarisches Handeln möglich, da die Empfindungen der Betroffenen anerkannt werden und ein Unterstützungsangebot zur Behebung des Missstandes unterbreitet werden kann.

Sensibilität entwickeln & sich selbst kritisch hinterfragen

Wir alle leben in einer Gesellschaft, in der Teilhabemöglichkeiten anhand von Gruppenzugehörigkeiten ungleich verteilt werden. Daher hat jeder Mensch etwas mit Diskriminierung zu tun, auch dann, wenn er von den vorhandenen Strukturen nur profitiert. Um Sensibilität für Diskriminierungen zu entwickeln, kann man sich selbst fragen, inwiefern man von verschiedenen diskriminierenden Strukturen profitiert oder negativ betroffen ist.

Betroffene unterstützen

Um von Diskriminierung Betroffene nicht allein zu lassen, ist es wichtig, sich mit ihnen zu solidarisieren und sie zu unterstützen, die diskriminierenden Umstände zu beseitigen – auch wenn man selbst nicht negativ betroffen ist. Dadurch wird signalisiert: „Nicht du bist das Problem, sondern Diskriminierung.“ Bei Unterstützungsangeboten sollte stets darauf geachtet werden, welche Form der Unterstützung sich Betroffene wünschen, da sie die Entscheidungsträger*innen sind und sich auch als solche wahrnehmen können sollten.

Wie Betroffene konkret unterstützt werden können, haben wir unter dem Menüpunkt "Was tun, wenn etwas passiert ist?" zusammengetragen.

Chancengleichheit fördern

Neben der individuellen Ebene kann auch auf der strukturellen etwas gegen Diskriminierung getan werden. Hier kann das Bewusstsein für diskriminierende Strukturen und der enttabuisierte und selbstkritische Umgang mit ihnen dazu führen, Maßnahmen zu entwickeln, die bestehenden ungerechtfertigten Benachteiligungen entgegenwirken und deren negative Effekte ausgleichen.

An der MLU ist daher eine unterschiedliche Behandlung aufgrund geschützter Merkmale dann zulässig, wenn sie dazu dient, bestehende diskriminierende Benachteiligungen zu verhindern oder auszugleichen. Es handelt sich hierbei um eine sachlich gerechtfertigte Form der Ungleichbehandlung, da sie der Kompensation bestehender Benachteiligung dient, um Chancengleichheit für alle herzustellen. Zum Beispiel:

  • Ein Student mit Leserechtschreibschwäche erhält in einer Klausur mehr Zeit zur Bearbeitung der Aufgaben (= Nachteilsausgleich).
  • Bei einer Stellenausschreibung werden Menschen mit Behinderung bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt (= kompensatorische Maßnahme für unterrepräsentierte Beschäftigungsgruppen).
  • Für Frauen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) werden Mentoring-Programme angeboten (= kompensatorische Maßnahme für unterrepräsentierte Beschäftigungsgruppen).

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