Sexuelle bzw. sexualisierte Belästigung
Überblick
Was ist Belästigung?
Unter Belästigung wird im rechtlichen Sinne eine Benachteiligung verstanden, bei der eine Person durch unerwünschte Verhaltensweisen aufgrund eines schützenswerten Merkmales1 in ihrer Würde verletzt und ein von Einschüchterung, Anfeindung, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Die Benachteiligung kann dabei absichtlich oder unabsichtlich eintreten. Belästigungen können niemals sachlich gerechtfertigt sein.
1 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (kurz: AGG) bezieht sich hierbei auf die Merkmale ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität.
Was ist sexuelle bzw. sexualisierte Belästigung?
Sexuelle Belästigung ist im rechtlichen Sinne eine spezielle Form der Belästigung und eine sexualisierte Form von Benachteiligung. Sie umfasst jedes einseitige und unerwünschte Verhalten mit sexuellem Bezug, das die betroffene Person in ihrer Würde verletzt. Durch sexuelle Belästigung kann ein Umfeld geschaffen werden, das von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnet ist. Betroffene Personen empfinden das Verhalten als respektlos und grenzüberschreitend.
Es gibt darüber hinaus verschiedene Definitionen für Grenzverletzungen mit sexuellem Bezug, die von Belästigung bis Gewalt reichen, und sowohl mit dem Begriff "sexualisiert" wie auch "sexuell" bezeichnet werden. Im Zuge dieser Übersicht möchten wir zwei grundsätzliche Formen differenzieren und folgend definieren:
Unter "sexualisierter Belästigung und Gewalt" verstehen wir in Abgrenzung zu einem grundsätzlich positiven Begriff von Sexualität, welcher auf gleichberechtigte Interaktion von Individuen abzielt ist, eine bewusste Ausübung von Macht und Kontrolle mit sexuellen Mitteln. Eine Person tut etwas mit sexuellem Bezug, ohne vorher das Einverständnis der anderen Person abzusichern oder obwohl wahrgenommen wurde, dass die andere Person mit der Handlung nicht einverstanden ist. Sexualisierte Belästigungen können zum Beispiel von Männern als Mittel eingesetzt werden, um Frauen in ihren Karrierebestrebungen zu verunsichern.
Unter "sexueller Belästigung und Gewalt" verstehen wir dagegen eine Grenzüberschreitungen in Interaktionen im sexuellen Kontext, die von der ausübenden Person nicht intendiert und nicht wahrgenommen wurde – zum Beispiel wenn eine Person von einer konsensuellen Handlung ausgeht, dieser Konsens aber (ab einem bestimmten Punkt der Interaktion) gar nicht (mehr) besteht, die ausübende Person die diesbezüglichen Zeichen jedoch nicht wahrnimmt und fälschlicherweise von einer Einvernehmlichkeit ausgeht.
Entscheidend ist in beiden Formen, wie die betroffene Person die jeweilige Handlung empfindet und beide Formen können schwerwiegende belastende Folgen für die betroffene Person haben.
Es handelt sich um ein weitestgehend tabuisiertes und mit Scham behaftetes Thema. Betroffene Personen fühlen sich in ihrer Würde verletzt, gedemütigt und herabgesetzt, da sie wie ein passives Objekt behandelt wurden, ihre Grenzen und ihr Wille nicht zählte. Häufig kommt ein Gefühl der Ohnmacht hinzu, da die Situation nicht selbstbestimmt kontrolliert werden konnte. Belastend kann zudem das Gefühl sein, sich in der Situation nicht angemessen zur Wehr gesetzt zu haben. Auch können Betroffene Schuldgefühle empfinden. Es gibt es jedoch keine Rechtfertigung und Betroffene tragen keine Mitschuld.
Da strukturelle Abhängigkeiten eine bewusste Machtausübung mit sexuellen Mitteln begünstigen, kann diese auch gehäuft an Universitäten auftreten. Aber auch sexuelle Grenzüberschreitungen im privaten Kontext können in die universitäre Sphäre hineinwirken – zum Beispiel wenn es im privaten Kontext einen sexuellen Übergriff zwischen Kommiliton*innen gab und die betroffene Personen sich fortan außer stande sieht, weiterhin gemeinsame Lehrveranstaltungen mit der ausübenden Person zu besuchen.
Beispiele für Belästigung mit sexuellem Bezug:
- Anzügliche oder herabsetzende Bemerkungen über das Aussehen
- Hinterherpfeifen, Cat calling
- indiskretes Ausfragen über Lebensführung und Liebesleben
- Aufforderungen zu sexuellen Handlungen
- sich Entblößen
- Anbringen oder Versenden pornografischer Darstellungen
- aufdringliche Blicke
- unerwünschter Körperkontakt
- wiederholte körperliche Annäherungen, die zufällig erscheinen
- unangemessene Briefe, Anrufe, Nachrichten oder Geschenke
- sexuelle Anspielungen, obszöne Witze, Gesten und Kommentare
- Nachstellen, Verfolgen oder Bedrängen
- Körperliche Gewalt, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung
Wer kann davon betroffen sein?
Betroffen sind mehrheitlich Frauen, aber auch Männer sowie Personen, die ihr Geschlecht in keiner dieser Kategorien verorten, können betroffen sein. Ausübende Personen sind meist Männer, aber Personen aller Geschlechter können mit belästigen. Belästigungen können zwischen Menschen verschiedener Hierarchieebenen stattfinden (z.B. zwischen Studentin und Dozent oder Mitarbeiter und Vorgesetzter), aber auch auf derselben Hierarchieebene (z.B. zwischen Kommiliton*innen). Besonders schwerwiegend ist die Belästigung, wenn sie unter Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen oder unter Androhung persönlicher bzw. beruflicher Nachteile erfolgt.
Beispiele für Belästigungen mit sexuellem Bezug, die an einer Universität vorkommen können:
- Ein Professor starrt einer Studentin während einer Besprechung in den Ausschnitt.
- Ein Dozent stellt während einer Prüfung unangemessene Fragen zu dem Privat- und Liebesleben der geprüften Studentin.
- Eine Dozentin verspricht einer Studentin Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen oder droht mit Nachteilen, wenn dieses Entgegenkommen ausbleibt.
- Ein Student verschickt Mails mit pornografischem Inhalt an seine Dozentin.
- Zwei Kommilitonen unterhalten sich in einem Seminar lautstark anzüglich und herabsetzend über körperliche Merkmale einer Kommilitonin.
- Eine Studentin fasst einem Kommilitonen während einer Institutsfeier unaufgefordert an den Hintern.
- Ein Professor gibt während einer Vorlesung Witze mit sexistischem Inhalt zum Besten.
Was kann präventiv getan werden?
Jeder Mensch hat eine individuelle Grenze, wann ein Verhalten eine Verletzung der Würde darstellt und wann nicht. Diese Grenze gilt es bei allen zu respektieren. Nur weil eine Person auf einen anzüglichen Kommentar positiv reagiert, heißt dies nicht, dass der Kommentar für alle anderen Personen okay ist. Um sicher zu gehen, dass man eine andere Person mit dem eigenen Verhalten nicht in ihrer Würde verletzt, sollte man sie respektvoll nach ihrer Zustimmung fragen, bevor eine Handlung mit sexuellem Bezug vornimmt.
Zustimmung ist nur möglich, wenn ein „Nein“ als Antwort ebenso respektvoll akzeptiert wird. Hierbei gilt es insbesondere Hierarchien und Abhängigkeitsverhältnisse mitzudenken – die Aussicht auf berufliche Vorteile bei sexuellem Entgegenkommen ist ebenso keine freie Zustimmung wie die Androhung von Nachteilen bei Ausbleiben eines solchen Entgegenkommens. Gerade bei Personen, zwischen denen eine strukturelle Abhängigkeit besteht (z.B. Studierenden und Dozierenden), ist erhöhte Vorsicht geboten. Auf der sicheren Seite sind Sie, wenn Sie hier stets eine professionelle Distanz wahren.
Alle Handlungen, zu denen alle Beteiligten aus freien Stücken und ohne Angst vor negativen Konsequenzen ihr überzeugtes Einverständnis gegeben haben, sind nicht als Belästigungen anzusehen. Hierbei sind immer wieder Aushandlungen und Rückversicherungen notwendig, da z.B. auch während einer Handlung festgestellt werden kann, dass eine Person diese nicht möchte, obwohl sie zuvor davon ausging, das es so wäre.